Ich
habe Mircea
Cantor erstmals
in einem
französischen
Magazin entdeckt.
Und was
ich damals
gesehen habe,
hat mir
gefallen. Der
erste Eindruck:
ein mit
dem Finger
geschriebener
Satz auf
einem
beschlagenen
Fenster:
UNPREDICTEBLE
FUTURE. Jeder
Buchstabe
hinterlässt eine
Spur, während
er verschwindet
und sich
auflöst.
Ich glaube, jeder von uns hat, mindestens einmal in seinem Leben, auf einem staubigen Auto oder auf einem staubigen Fenster geschrieben und dort eine kleine Nachricht hinterlassen. Eine Botschaft für jeden, der dort auch immer vorbeiläuft und sie entdeckt.
Das
Werk trägt
keine
Unterschrift,
oder vielleicht
ist der
Rechtschreibfehler
eine
Unterschrift.
Eine verstohlene
Schrift an
der Wand
(diesmal auf
dem Fenster),
die zu
einem frechen
Kind oder
zu einem
rebellischen
Jungen gehört.
Diese
konzentrierte
Form der
Selbstdarstellung
stellt die
Frechheit und
Redefreiheit der
Anonymität dar
und verweist,
gleichzeitig, auf
die rätselhafte
Zukunft.
”Life
is
what
happens
to
you
when
you're
busy
making
other
plans”
(The Beatles)
Die
verschwindenden
Buchstaben werden
zu einer
Meditation über
das
geheimnisvolle
Leben, über
Glücksfälle und
Vergänglichkeit.
Cantors visuelles
Kunstwerk bietet
nicht nur
die Aufnahme
einer Handschrift
an, sondern
auch die
Visualisierung
eines
Veränderungsprozesses:
Wasserdampf wird
zur Schrift,
Schrift wird
zu Wasser.
Die Buchstaben
stammen
buchstäblich
”out
of
thin
air”,
wie in
Shakespeares
Theaterstück.
Und wir
werden Zeugen
eines fast
alchemischen
Prozesses: die
Verkörperung des
Sprechens in
Wörten, die
Kraft und
Fragilität der
Wörter.
Cantors
Werk spielt
auch mit
Begriffen wie
”buchstäblich”
und
”metaphorisch”
und spiegelt
eine poetische
Form der
Redefreiheit
wider.
UNPREDICTEBLE
FUTURE ist
ein kurzes
Gedicht über
Überraschungen,
Hoffnung und
die
Vorstellungskraft.
Mircea
Cantor ist
für seinen
Film Deeparture
bekannt, in
dem ein
Wolf und
ein Hirsch
zusammen in
einer weißen
Galerie gebracht
wurden und
ihnen die
Freiheit gegeben
wurde, einander
anzuschauen, sich
gegenseitig
aufzuregen und
zu beunruhigen,
und auch
unsere Sinne
und unsere
Erwartungen
anzustacheln. Die
Spannung stammt
aus dieser
Provokation der
Instinkte, aus
dieser
Nebeneinanderstellung
zweier Tiere,
die in
einer anderen
alltäglichen
Umgebung die
Rolle des
Jägers und
der Beute
spielen. Der
Zuschauer wird
Zeuge ihrer
Blicke, ihres
Atmens, ihrer
Nervosität und
ihrer Ruhe.
Der
Film ist
einfach, fast
minimalistisch im
Hinblick auf
seine
Ausdrucksmittel.
Die
Gegenüberstellung
dieser Tiere
ist eine
Herausforderung
des Todes,
der Instinkte
(brutale,
gewalttätige
aber angeborene
Instinkte) und
gleichzeitig eine
Beschwörung des
Unerwarteten. Die
Handlungen und
Prozesse folgen
dabei nicht
mehr einem
vorhergegebenen
Szenarium.
Mircea
Cantor hat
in seinem
Lebenslauf
geschrieben, dass
er “auf
der
Erde”
lebt und
diese Worte
haben mich
an ein
anderes von
seinen Werken
erinnert, ein
Werk das
er wieder
mit
unprätentiösen
Mitteln
geschaffen hat,
nämlich mit
einem eingefügten
Buchstaben: Der
Titel der
französischen
Zeitung Le
Monde
wird Les
Mondes.
Die Kritiker
betrachten diess
als ein
Statement gegen
Globalisierung;
für mich
ist dies
vielmehr ein
kleines
Freiheitsmanifest,
ein Spiel
(anscheinend
einfach) mit
dem Marker
und den
Buchstaben: der
Kind-Künstler
und der
Rebell-Künstler
spielen mit
der Welt,
korrigieren und
ergänzen die
Welt. Das
Spielzeug des
Künstlers (die
Welt, le
monde) wird
jetzt eine
Menge von
Spielzeugen (des
mondes) sein.
Wir finden
eine Dadaistische
Grundhaltung in
diesem Werk,
die zum
spielerischen und
unsinnigen Anfang
der Moderne
zurückkehrt.
Das
Video The
Landscape
is
Changing
zeigt
Demonstranten,
die Spiegel
statt Banner
und Slogane
tragen. In
ihren Spiegeln
sieht man,
wie sich
die Umgebung
während des
Marsches
verändert. Wie
Mircea Cantor
selbst sagt,
interessiert er
sich nicht
für ein
globale, sonder
für eine
universale
Sprache.
Der
Protest findet
in einer
unbekannten Stadt
statt, es
gibt keine
Beschwerdeschriften
und keine
Wünsche, nur
die Menschen
und die
gespiegelte Welt,
die sie
selbst verändern.
Das Bild
(die Spiegelung,
das Video
selbst) sind
die ausgewählten
Vermittler, die
das enge
Verhältnis
zwischen uns
und der
Welt bestätigen.
Obwohl
der
Titel
der
letzte
ist
(The
Title
is
the
Last
Thing,
Philadelphia
Museum
of
Art,
2006),
sind
die
Titel
von
Cantors
Werke
sehr
vielsagend:
Ciel
Variable
(Frac,
Champagne-Ardenne,
Reims,
2007),
Born
to
be
Burnt
(GAMeC,
Bergamo,
2006).
Werke
wie
The
Second
Step
und
Double-Heads
Matches
erzeugen
gute
Laune:
ein
Streichholz,
das
an
beiden
Enden
brennen
kann,
ist
nicht
nur
ein
Zeichen
für
das
gefährliche
Handeln
unserer
Welt,
sondern
auch
ein
Zeichen,
dass
die
Welt
wiedererfunden
werden
kann.
Die
Ambiguität
der
Mitteilung
macht
den
Charme
dieses
Werkes
aus.
Der
zweite Schritt
auf dem
Mond, sei
er Armstrongs
zweiter Schritt,
den Cantors
Blick aus
der Anonymität
herausgenommen
hat, oder
der Schritt
eines anderen
auf dem
Mond gelandeten
Astronaut, ist
ein frischer,
ironischer,
erholender und
hoffnungsvoller
Verweis auf
unsere offene
Welt.
Mircea
Cantors
Kunstwerke
besitzen
auch
eine
humorvolle
Ebene:
in
den
gegenwärtigen
Diskurs
über
Globalisierung
fügt
er
mit
einem
subtilen
Lächeln
ein:
"J'entends
beaucoup
ce
discours
officiel,
de
gauche,
sur
les
peripheries.
Berlin,
Los
Angeles...
Moi-meme,
je
suis
venu
habiter
a
Paris pour
vivre
a
la
peripherie
de
la
Roumanie.
C'est
ma
maniere
d'avoir
une
distance
avec
tout"
(Beaux
Arts,
No.275,
Mai
2007).
Das
künstlerische
Credo
eines
exilierten
freien
Mannes,
der
“auf
der
Erde”
lebt.
Text erstmals 2008 auf Rumänisch erschienen: