Weiter, in dem großzügigen Raum der ehemaligen Turnhalle trifft man zuerst auf Yakuba Al Hasan: eine volle Ladung Kabel krönt seinem Kopf, auf der linken Schulter trägt er einen Reifen. An der Wand gegenüber steht das Bild von dem kleinen, schüchternen und ernst blickenden Mädchen Naasra Yeti in einer hochzeitsähnlichen Kleidung. Der Junge Al Hasan Abukari ist auch Teil der Porträtierten und sein türkisfarbenes T-shirt zeichnet ihn vor dem grauen Hintergrund deutlich ab.
Durch mein Studium der afrikanischen Kunst war mir das Werk von Pieter Hugo (geb. 1976, Südafrika) schon bekannt, wie zum Beispiel die Serien Nollywood und The Hyena and Other Men (die ihn 2007 bekannt gemacht hat). Ein paar von seinen Stil-Charakteristika sind auch in der aktuellen Ausstellung wieder zu erkennen: eine präzise Inszenierung des Porträts; sein Interesse an Außenseitern und der Versuch, ihren Lebensstil zu dokumentieren (wie bei der Hyena and Other Men Serie); eine ästhetizierende Wirkung (eine Art slum-coolness in diesem Fall); die Ambivalenz seiner Bilder, gleichzeitig reell und surreal, faszinierend und störend.
Ich wusste ein bisschen was mich in der Ausstellung erwartet: die schon erwähnte “apocalyptic Vision“ und “die dahinter stehende ethische Fragestellung zu unserem rapiden Umgehen mit Technik“ (http://thephotographersgallery.org.uk/pieter-hugo). Irgendwie hatte ich Angst, dass das ganze Projekt nur bei dieser Ebene bleibt. Ich kam zur Ausstellung um den Künstler abzuchecken, gebe ich zu. Nach meinem Besuch, haben seine Fotos mich überzeugt, dass sie mehr als sensationell und störend sind. Über diese persönliche Entdeckung möchte ich euch erzählen.
Für mich waren die Videos das Unerwartete in seiner Ausstellung. Jeder der drei Fernseher, die sich am Eingang des ehemaligen Turnsaals befinden, zeigt einen Jungen der versucht vor der Kamera eine Weile still stehen zu bleiben. Hinter ihm arbeiten seine Kollegen weiter, ganz ungestört und der Rauch von den brennenden Materialien hebt sich ab. Am Anfang bist du dir ganz nicht sicher, ob du ein slow-motion Video oder ein Bild betrachtest.
Mit ihren überlagerten Tempos (Kino und Foto in einem), mit ihrem Spiel zwischen Vor- und Hintergrund wirken Pieter Hugos Videos wie entfaltete und verlängerte Fotoschüsse. Ihre Protagonisten erkennen wir schon aus den Bilder an der Wand und es ist als ob wir Zeugen bei der Entstehung der Fotos werden. Die Frage stellt sich: wie wurden dann die Porträts aufgenommen? Mussten die Jungen lange still bleiben, wie Exponate in einem Museum oder in einer ethnographischen Ausstellung? Die Videoarbeiten stellen die Stärke und die Schwäche der Fotografie in Frage. Wie z. B den fast unmenschlichen Versuch, eine Person auf dem Stillstand zu halten, sie in ein unbewegtes Objekt zu verwandeln.
Die Stärke dieser Bilder besteht auch darin, dass sie gleichzeitig Spannung und Stille erzeugen können, Coollness und Ausdauer. Es gibt etwas Berührendes in der langen Pose des Junges der versucht, die große Ladung auf seinem Kopf im Balance zu halten. Uns wird es wieder bewusst: ein Foto zu machen ist ein Prozess, die Fotografie braucht und handelt mit der Zeit. Und noch mehr: die Fotografie bringt die Welt zum Stillstand. Die Videos offenbaren eine Verbindung zwischen dem Leben, das immer in Bewegung ist, und dem Foto, das aus diesem Fluss des menschlichen Agierens entnommen ist.
Wir gucken uns die unerschrockenen, eifrigen Protagonisten an, die lange still bleiben können, während der Hintergrund weiter läuft. Das Individuum und die Welt. Was ist die Verbindung zwischen dem Still-Bild und der Welt, die reale Rahmung jedes Fotos? Wo kommen wir, als Zuschauer, ins Spiel?
Die Permanent Error Serie setzt sich mit brisanten Themen, wie Globalisierung, Verwendung von Technik und Verschwendung auseinander und liefert dadurch eine Meditation über unsere Welt und unser Leben. Die Bilder zeigen Kontraste und damit werden auch Verbindungen aufgedeckt. Mit ihrem Fokus auf von kaputten Computern umgebenen Individuen, können die Fotos von Hugo auch als ein Zelebrieren des Lebens verstanden werden.
Noch kurz zum Schluss: die Fotos von Pieter Hugo befinden sich in der guten Begleitung der poetischen Bilder und Kleinvideoaufnahmen von Rinko Kawachis. Durch ihre Werken gelingt es beiden Künstlern uns eine Meditation über Dauer, Ausdauer und Lebenszeit anzubieten.
Pieter Hugo im C/O Berlin: 10. November 2012 - 13. Januar 2013
http://www.co-berlin.info/programm/exhibitions/2012/deutsche-boerse-photography-prize.html
Alle Bilder im Text: ©Pieter Hugo. Mit freundlicher Genehmigung von Stevenson, Cape Town and Yossi Milo, New York
Text erschienen auch auf artiberlin.de http://www.artiberlin.de/article/Die_bewegende_Welt_die_reale_Rahmung_jedes_Fo
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