Sunday, November 29, 2020

Semina il Vento von Danilo Caputo

Sow the wind, sow the soul, sow life

Die junge Agronomie-Studentin Nica kehrt nach einer Trennung und nach drei Jahren Abwesenheit zu ihrer Familie in Apulien zurück. Dort erfährt sie, dass die Olivenbäume ihrer Großmutter von einem Parasiten bedroht sind.

Die Einundzwanzigjährige wird mit der Doppelmoral ihrer Mitbürger konfrontiert, die religiöse Prozessionen für die Rettung der Bäume organisieren, aber gleichzeitig erlauben, dass ihr Land infiziert wird. Später wird sie rausfinden, dass ihr Vater genau das macht. Nicas Freundin Paola erfasst die Situation in der Region sehr gut: es ist nicht nur die Natur, die von Parasiten angegriffen wird, sondern es sind in erster Linie die Köpfe der Menschen. Die Missachtung der Einheimischen gegenüber ihrer Umgebung zeigt sich in ihren alltäglichen Gesten: ein Nachbar wirft Müll auf das Gelände ihrer Familie, Nica regt sich auf und schlägt zurück”: sie sammelt die Mülltüten und, mit Hilfe ihrer Freundin, wirft sie über sein Haustor.

Ihre Rebellion übt Nica erstmal in ihrem Elternhaus aus: gegenüber ihrer Mutter, die unter einer Mischung von Schuld, Scheinsein und Selbstgefälligkeit leidet. Und auch gegenüber ihrem Vater, der nur an das Geld vom Verkauf des Olivengartens denkt und seine Schwäche mit Gewalt gegenüber seiner Tochter verteidigt.

Nica besitzt auch eine besondere Art der Kommunikation, eine Empathie gegenüber der Natur und den Tieren. Diese wird sichtbar durch die Art und Weise wie sie die Baumstämme berührt und ihnen zuhört, wie sie die neu befreundete Elster streichelt und schützt.

Mit wissenschaftlichen Mitteln versucht Nica eine Lösung zu finden, um den Parazit zu bekämpfen und die Bäume zu retten. Gleichzeitig hat sie eine besondere Verbundenheit mit ihrer Oma. Von einigen als eine Art Zauberin betrachtet, steht ihre Großmutter für eine vergessene Verbindung zwischen Mensch und Natur. Sie verkörpert nicht nur einen heidnischen Glauben, sondern einen Glauben an die Kräfte der Natur.

Diese ganzheitliche Wahrnehmung visualisiert Danilo Caputo in einer sehr poetischen, die Sinne anregende Landschaft. Der Regisseur geht aber über die ästhetische Seite der Natur hinaus, ihn interessiert viel mehr ihre Lebendigkeit und Ausdruckskraft.

Ich sehe Nicas Freundin, die Elster, nicht unbedingt als eine Verkörperung der Seele der gestorbenen Oma. Viel mehr zeigt Danilo Caputo wie eine Seele alles (Menschen, Pfanzen, Tiere), beflügelt. Dies wird durch die Präsenz des Windes unterstützt. Von dieser Vision leitet sich der Titel seines Films ab: semina il vento, säe den Wind, säe die Seele des Lebens.

Die Rettung der Olivenbäume wird von einer Mischung aus jugendlicher Rebellion, entschlossener Forschung, Anrufung unsichtbarer Seelen, Großmutterliebe und einem Hauch von Mysterium ausgeführt.

Seinen Worten nach, wollte Danilo Caputo einen Film gegen Resignation drehen. Das ist ihm mit dem poetischen, vielschichtigen Semina il Vento gelungen.

Ioana Muntenescu, Berlin, den 8.April 2020 

geschrieben für uncut.at, herzlichen Dank an Harald Zettler für die Berlinale-tickets 


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